Seit dem Jahr 2000 wurden bei der Bekämpfung von Hunger signifikante Fortschritte erzielt.1 Damals betrug der durchschnittliche Gesamtwert des Welthunger-Index (WHI) für die Entwicklungsländer 29,9; der WHI-Wert 2015 beläuft sich dagegen auf 21,7, was einen Rückgang um 27 Prozent bedeutet (Abb. 2.1).2 Wie die Schwereskala illustriert , ist die Hungersituation umso ernster, je höher der Wert liegt. Werte zwischen 20,0 und 34,9 werden als „ernst“ eingestuft.
Obwohl also die Gesamtwerte des WHI für die Entwicklungsländer – auch weltweite WHI-Werte genannt – sowohl für 2000 als auch für 2015 als „ernst“ eingestuft werden müssen, lag der frühere Wert näher an einer Einstufung als „sehr ernst“, während sich der aktuelle Wert der Kategorie „mäßig“ annähert. Wie bereits in Kapitel 1 erläutert, wurden sämtliche Berechnungen von WHI-Werten in diesem Bericht – auch für die Referenzjahre 1990, 1995, 2000 und 2005 – unter Anwendung einer überarbeiteten Formel durchgeführt. Die Schwereskala wurde an diese Veränderungen angepasst.
Diese globalen Durchschnittswerte verschleiern dramatische Unterschiede zwischen einzelnen Regionen und Ländern. In Afrika südlich der Sahara und in Südasien werden 2015 mit 32,2 und 29,4 die höchsten WHI-Werte verzeichnet. Beide Hungerwerte sind als „ernst“ einzustufen. Dagegen liegen die WHI-Werte in Ost- und Südostasien, dem Nahen Osten und Nordafrika, Lateinamerika und der Karibik sowie in Osteuropa und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten zwischen 13,2 und 8,0 Punkten und spiegeln damit mäßige oder niedrige Hungerwerte wider.
Afrika südlich der Sahara weist mit 32,2 Punkten den höchsten WHI-Wert auf. Insgesamt verzeichnet die Region seit 2000 ein starkes wirtschaftliches Wachstum (UNCTAD 2014). Sie profitiert außerdem von Fortschritten im Gesundheitswesen, darunter gesunkene Infektionsraten und bessere Behandlungsmöglichkeiten von HIV/AIDS sowie weniger – und weniger tödliche – Fälle von Malaria (AVERT 2014; WHO 2013).
Ein Vergleich der WHI-Werte der Jahre 2000 und 2015 zeigt, dass 17 Länder ihre Werte um 50 Prozent oder mehr senken und damit bemerkenswerte Fortschritte erreichen konnten. 68 Länder erzielten mit einer Reduzierung ihrer Werte zwischen 25,0 und 49,9 Prozent ebenfalls beträchtliche Verbesserungen, und 28 Länder senkten ihre WHI-Werte um weniger als 25 Prozent. Trotz dieser Fortschritte ist die Hungersituation in 52 Ländern noch immer „ernst“ oder „sehr ernst“.
Von den zehn Ländern, die ihre Werte im WHI 2015 im Vergleich zum WHI 2000 prozentual am stärksten senken konnten, liegen drei in Südamerika (Brasilien, Peru und Venezuela) und eines in Asien (Mongolei). Vier Länder sind frühere Sowjetrepubliken (Aserbaidschan, Kirgisistan, Lettland und die Ukraine) und zwei frühere Teilrepubliken Jugoslawiens (Bosnien-Herzegowina und Kroatien). In jedem dieser Länder fielen die WHI-Werte seit dem WHI 2000 beträchtlich – um 53 bis 71 Prozent. Weitere Resultate:
Ruanda, Angola und Äthiopien konnten im Vergleich zum WHI 2000 den größten absoluten Rückgang des Hungers verzeichnen. Die WHI-Werte sanken in diesen Ländern um 25 bis 28 Punkte. Trotz dieser Fortschritte sind die Hungerwerte dort indes immer noch „ernst“.
Acht Länder haben noch immer „sehr ernste“ Hungerwerte zu beklagen; die Mehrzahl davon liegt in Afrika südlich der Sahara. Ausnahmen sind Afghanistan, Haiti und Timor-Leste.
Die Zentralafrikanische Republik, der Tschad und Sambia verzeichnen im WHI 2015 die höchsten Werte. Da diese mit lediglich geringen Reduzierungen seit 2000 einhergehen, geben diese Länder besonderen Anlass zu Besorgnis (Abb. 2.3).
Im vorliegenden Bericht fehlen die WHI-Werte mehrerer Länder, die im Bericht des Jahres 2014 sehr hohe Werte aufwiesen („sehr ernst“ oder „gravierend“), darunter Burundi, Eritrea, die Komoren, Sudan und Südsudan, da keine aktuellen Daten zur Unterernährung vorlagen.3 Die Demokratische Republik Kongo wies im WHI-Bericht von 2011 den höchsten Wert aller Länder auf. Seitdem war es aufgrund fehlender Daten nicht mehr möglich, einen WHI-Wert für dieses Land zu errechnen. Für Somalia konnte wegen der mangelhaften Datenlage noch nie ein WHI-Wert festgestellt werden; das Welternährungsprogramm (World Food Programme, WFP) geht allerdings davon aus, dass Somalia eines der Länder mit der weltweit größten Ernährungsunsicherheit ist (WFP 2015b). Dadurch, dass für diese Länder nicht genügend Daten vorliegen, bleibt die dortige Hungersituation im Dunkeln. Trotzdem ist die Situation in diesen Ländern weiterhin besorgniserregend und darf nicht aus dem Blick geraten.
Während sich die Analyse in früheren WHI-Berichten auf Vergleiche mit Hungerwerten aus dem Jahr 1990 bezieht, werden im vorliegenden Bericht die Hungerwerte des Jahres 2000 als Referenz herangezogen. In vielen Ländern kam es zwischen 1990 und 2015 zu Schwankungen, und der Vergleich mit dem Jahr 2000 erfasst aktuellere Entwicklungen. ↩
Die regionalen und globalen Gesamtwerte für jeden einzelnen Indikator werden als nach Bevölkerung gewichtete Durchschnittswerte unter Anwendung der in Anhang B aufgeführten Indikatorenwerte errechnet. Vorläufige Schätzungen zur Unterernährung in Burundi, Eritrea, den Komoren, der Demokratischen Republik Kongo, Libyen, Papua-Neuguinea, Somalia und Syrien wurden zwar zur Errechnung der globalen und regionalen Gesamtwerte hinzugezogen, werden aber in Anhang B nicht aufgeführt. Sie beruhen auf bereits veröffentlichten Daten zur Unterernährung und auf vorläufigen Schätzungen, die die FAO 2014 lediglich zum Zwecke der regionalen und globalen Aggregation zur Verfügung stellte. Die regionalen und globalen WHI-Werte werden anhand der regionalen und globalen Gesamtwerte jedes einzelnen Indikators und der überarbeiteten Formel errechnet, die in Kapitel 1 erläutert wird. ↩
Im WHI-Bericht von 2014 wurden der Südsudan und der Sudan zusammen als früherer Sudan berechnet. Im vorliegenden Bericht werden die beiden Länder getrennt abgebildet, weil alle Organisationen, die Daten zu den Einzelindikatoren bereitstellen, sie nunmehr als eigenständige Länder behandeln. ↩